Wollen Sie sich wirklich vollständig binden?
Diese Frage stellt sich in der anwaltlichen Beratung zu schon vorhandenen Testamenten sehr häufig. Die Beantwortung führt dann meist zu dem Ergebnis, dass man sich über den Inhalt und die Folgen des Testaments gar nicht so im Klaren ist. Die Mandanten bemerken erst jetzt, welch unflexible Regelungen enthalten sind und diese sich schon wenige Jahre später als veraltet erweisen.
Grundsätzlich ist es natürlich erfreulich, wenn ein Testament vorliegt und der letzte Wille einmal schriftlich und wirksam niedergelegt wurde. Denn die gesetzlichen Regelungen, die ohne Testament oder Erbvertrag greifen, sind häufig nicht gewünscht, können aber ohnehin nicht auf die Besonderheiten des einzelnen Erbfalls, wie familiäre Besonderheiten, einzelne Vermögenswerte und den Versorgungsbedarf bestimmter Personen, eingehen.
In der Praxis allerdings handelt es sich bei vielen Testamenten um sog. Berliner Testamente, die nur recht kurz den jeweils anderen Ehegatten als Alleinerben einsetzen und als Schlusserben dann die gemeinsamen Kinder oder andere Verwandte und Freunde bestimmen. Vielleicht enthält das Testament noch eine Pflichtteilsstrafklausel, so dass die Kinder im ersten Erbfall nicht schon den Pflichtteil fordern. Diese Testamente sind – in notariell beglaubigter Form – leider noch weit verbreitet, aber in den meisten Fällen nicht sinnvoll. Auf steuerliche Belange wird ebenso wenig Rücksicht genommen wie den Versorgungsbedarf bestimmter Personen und auch flexible Änderungen nach dem Ableben des Erstversterbenden sind nicht mehr möglich.
Warum ist das so? Häufig entscheiden sich Ehepaare mit dem Eintritt in das Rentenalter ihren Nachlass zu regeln und gehen hierzu zum Notar. Die wenigsten Mandanten wissen jedoch, dass der Notar eine steuerliche Beratung nicht schuldet oder auch nur anbieten darf. Die Folge ist in der Regel eine Nachlassregelung, die erbschaftssteuerliche Konsequenzen völlig ignoriert. Schlimmer ist es jedoch, wenn den Mandanten nur eine gegenseitig bindende Lösung angeboten wird, die keinerlei Reaktion auf später ändernde Umstände zulässt. Jedenfalls unsere Mandanten berichten in vielen Fällen, vom Notar aktiv gar nicht auf die Möglichkeiten eines Zweckvermächtnisses oder auf Öffnungsklauseln für den Längerlebenden oder ähnliches hingewiesen worden zu sein. Hiermit wäre es aber den Mandanten möglich, später die steuerlichen Freibeträge unter Berücksichtigung des eigenen Versorgungsbedarfs voll auszunutzen oder aber die Schlusserben bzw. Vermächtnisnehmer neu zu bestimmen oder eigene Gewichtungen vorzunehmen.
Es liegt sicherlich auch in den meist hohen, vermögensabhängigen Gebühren einer notariellen Beurkundung begründet, dass man das einmal unterzeichnete Testament nicht erneut anfassen will. Nur wenige Mandanten beschäftigen sich später nochmals aus eigenem Antrieb erneut mit ihrem Testament und bemerken deshalb gar nicht, wie sehr sie sich gegenseitig auch bezüglich des Erbes des Letztversterbenden – meist in unnötiger Weise – gebunden haben. Und es gibt kaum Familien, bei denen sich nach spätestens 5-7 Jahren die Situation oder die eigenen Wünsche nicht derart geändert hätten, als dass eine Änderung des Testaments nicht notwendig geworden wäre.
Wir wollen hier keinesfalls von der Möglichkeit einer notariellen Beurkundung abraten. Doch eine solche ist nur in wenigen Fällen wirklich notwendig oder sinnvoll. Gerade bei größeren Vermögenswerten führen die gesetzlich festgelegten Gebühren dazu, dass man Änderungen, möchte man das Testament in notariell beglaubigter Form belassen, scheut. Wir meinen aber, ein Testament sollte nicht einmal für die Ewigkeit festgelegt werden, sondern einer einfachen, regelmäßigen und kostengünstigen Überprüfung und Änderung zugänglich sein. Nur so kann es im Todesfall den gegenwärtigen Willen widerspiegeln und nicht den längst überholten Willen aus einer Jahre zurückliegenden Lebenssituation.